Anlage auf dem Op-Tisch
Die Digitalisierung in der Produktion ist seit Jahren Thema. Doch meist sind diese Projekte umfassend und groß angelegt. Dass es auch schnell und praxisnah geht, zeigt die Zusammenarbeit von BASF und YNCORIS im PSM3-Betrieb.
Jörg Regelski und Thorsten Muhlack stecken regelmäßig die Köpfe zusammen und besprechen die nächsten Schritte beim Rückbau des PSM3-Betriebs. Regelski leitet das Projekt bei BASF, Muhlack ist Projektleiter im Stillstandsmanagement bei YNCORIS und kümmert sich um die Terminplanung. Für ihre Aufgaben nutzen sie die digitale Lösung TrackServ, die alle Schritte übersichtlich darstellt. Was nach Routine klingt, ist eine echte Verbesserung zur klassischen Herangehensweise – und war so eigentlich gar nicht geplant. Doch Not macht erfinderisch: In der Regel würde ein solches Projekt auch in Zeiten digitaler Tools über eine sogenannte „Wandzeitung“ abgewickelt, in der sämtliche Prozesse dargestellt werden und die Beteiligten ihre Aufgaben mit einer Unterschrift dokumentieren. Weil das Projekt inmitten der Corona-Pandemie startete, waren solche Freigaben vor Ort jedoch nicht möglich. Die Alternative – eine Excel-Datei – hätte den Nachteil gehabt, dass sich die Arbeitsschritte nicht rechtssicher freigeben lassen. Auch die nächste Idee – eine PDF-Datei – stellte sich als nicht machbar heraus. Sie wäre viel zu groß geworden. „Bis zum Ende des Projekts werden wir rund 123.000 Rückmeldungen einholen müssen“, sagt Regelski. „Thorsten hatte deshalb die Idee, die Datenbank TARServ zu nutzen.“ Das Tool dient eigentlich zum Management von Stillständen. Die aus der Not heraus geborene Idee hat sich zu einem echten Gewinn für die Zusammenarbeit aller Beteiligten entwickelt – und eine neue Software- Lösung kreiert: TrackServ.
RANDVOLL MIT ROHRLEITUNGEN
Wie wichtig eine solide und übersichtliche Planung und Dokumentation ist, zeigt sich bei einem näheren Blick auf das Projekt. Denn der Rückbau des PSM3-Betriebs gleicht einem chirurgischen Eingriff. Die Anlage liegt eingebettet zwischen zwei Betrieben. Das Gebäude selbst gehört zu Bayer und ist zudem randvoll mit Equipment. Während Teile der Anlage ausgebaut werden, laufen andere weiter. Apparat für Apparat, Rohrleitung für Rohrleitung muss wegen sensibler Stoffe zunächst sorgfältig gespült und dann vorsichtig demontiert werden. Damit alle sicher arbeiten können, ist daher im Vorfeld eine umfangreiche Planung durch
Jahren kennen. Erst nach deren Freigabe kann die Öffnung der einzelnen Apparate und der Rückbau beginnen. Das Know-how dazu kommt aus der Dokumentation der BASF-Stillstände. „Warum also dieses Wissen nicht auch über das Tool nutzen, mit dem Stillstände abgewickelt werden?“, fragte sich Muhlack. Er bereitete zusammen mit Andreas Becker, seinem Teamleiter im Projekt- und Stillstandsmanagement, die Rohrleitungs- und Equipmentliste auf und importierte sie in die TrackServ-Datenbank. Auf dieser Basis konnte das Team alle weiteren Prozess-Ablaufschritte festlegen und später digital abfragen.
KEINE AUFWENDIGE ABSTIMMUNG
Innerhalb von gerade einmal zwei Wochen baute YNCORIS die Software so um, dass alle Aufgaben aus dem Rückbau komfortabel bearbeitet werden können. Die Beteiligten unterschreiben nun einfach und gleichzeitig dokumentensicher vor Ort über ihr Tablet. Mehr Übersicht über den gesamten Stand des Projekts, aber auch über einzelne Aufgaben gibt es dank eines Ampelsystems. Gleichzeitig können Anwender individuell priorisieren, welche Freigaben als Nächstes anstehen. Das immer gleiche Vorgehen in der Abarbeitung der einzelnen Arbeitspunkte sorgt außerdem für Sicherheit. „Das Tool ist für uns eine große Arbeitserleichterung und geht weit über die Wandzeitung hinaus“, sagt Regelski. „Es zeigt, dass Digitalisierung auch im Kleinen ausgesprochen erfolgreich sein kann.“ Darüber hinaus vereinfacht sich die Zusammenarbeit mit der Produktion, die für die Spülung der Anlage verantwortlich ist. „Die Lösung ist außerdem ein gutes Beispiel, wie wir in Knapsack über die Firmengrenzen hinaus auf sehr vielen Gebieten ausgezeichnet zusammenarbeiten,“ findet Stefan Hamel, Head of Production Services der BASF in Frankfurt und Knapsack. „Rückbauten einzelner Komponenten in laufenden Anlagen stellen bereits einen Aufwand und ein Risiko für die Arbeits- und Prozesssicherheit dar. Der komplette Rückbau einer Anlage dieser Größenordnung ist ungleich komplexer. Dank des durch TrackServ unterstützten Prozesses konnte das Team den Rückbau bisher reibungslos abwickeln.“
PROJEKTABSCHLUSS ENDE 2023
Die ersten Teilprojekte sind bereits abgeschlossen, ein Teil der Anlage stillgelegt. Seit Anfang des Jahres werden die weiterhin genutzten Bereiche in einem Infrastrukturprojekt wieder verbunden. Es ist gleichzeitig eine Investition in die Zukunft. Die umfangreichen Änderungen im Betrieb erforderten teilweise neue Konzessionen. Regelski: „Hier hat uns das Genehmigungsmanagement von YNCORIS stark unterstützt.“ Am Ende des Projekts, das für Dezember 2023 geplant ist, werden zwei Drittel der Anlage weiter betrieben, auch die Bahnverladung und das Tanklager bleiben bestehen.
Für den ehemaligen Bereichsingenieur Regelski war der Auftrag zunächst nicht einfach. „Normalerweise baue ich Anlagen auf, nicht ab. Doch es ist für alle Mitarbeitenden gesorgt, die Aufgabe spannend und mit einer großen Verantwortung verbunden. Alle Teammitglieder können sich aufeinander verlassen, die Stimmung ist sehr gut.“ Und schließlich: Durch die Maßnahme sichert BASF die weitere Produktion in Knapsack.
DAS PASSIERT BEIM RÜCKBAU
- Ausblasen und Entleeren
- Arbeitsvorbereitung (Gerüste aufstellen, Messgeräte abklemmen)
- Trennen zum Spülen
- Spülen
- HD-Reinigen
- Freigabe zur Demontage
- Demontage
- Entsorgen oder Einlagern
- Dokumentation
DER RÜCKBAU IN ZAHLEN
30 Kilometer Rohrleitungen, 550 Apparate, über 3.500 PLT (Mess)-Stellen, über 4.500 Kabel, über 2.000 zu demontierende Rohrleitungen und Equipments, über 123.000 digitale Rückmeldungen (Fertigmeldungen und Freigaben)
DAS PROJEKTTEAM
10 Mitarbeiter*innen im Betrieb, 20 Mitarbeiter auf Technikseite und bis zu 100 Mitarbeiter auf der Baustelle