07. Juli 2024

Das ist unsere Zukunft

Interview mit Dr. Klaus Mattes, Manager Knapsack Site bei LyondellBasell.
KNAPSACK SPIEGEL sprach mit Dr. Klaus Mattes, seit 1. Januar 2024 Manager Knapsack Site bei LyondellBasell und Nachfolger von Achim Rodekirchen, über die ersten Monate in der Verantwortung und spannende Aufgaben – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der CPK-Süderweiterung. 
 

KnapsackSPIEGEL: Herr Dr. Mattes, LyondellBasell wird hier in Knapsack im Rahmen der CPK-Süderweiterung ein integriertes Recycling- und Weiterverarbeitungszentrum für Kunststoffe  bauen. Sie sind seit dem 1. Januar 2024 neuer Standortvertreter von LyondellBasell in Knapsack. Warum ist dieses Projekt für Ihr Unternehmen so wichtig?

Mattes: Dieses Projekt ist ein weiterer Meilenstein für den LyondellBasell Standort Wesseling Knapsack. Die Anlagen hier in Knapsack sollen das Ausgangsmaterial für das mechanische und chemische Recycling erzeugen. Sie werden dann in der neuen Anlage zum chemischen Recycling, die wir zur Zeit in Wesseling bauen und in unseren mechanischen Recyclinganlagen hinter der Grenze, bei Maastricht, weiterverarbeitet. So wird die gesamte Region die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen unterstützen und Rohstoffe verarbeiten, die heute nicht recycelt, sondern meist der Verbrennung zur Energierückgewinnung zugeführt werden . Ich freue mich riesig, dass wir in Knapsack Teil dieser Transformation sein dürfen.

KnapsackSPIEGEL: Warum befasst sich ein Kunststoffhersteller mit Plastikabfällen? 

Mattes: Wir wollen zunehmend fossile Rohstoffe bei der Produktion von Kunststoffen ersetzen und vorhandene Ressourcen aus dem Kreislauf nutzen. Was Sie hier sehen, sind Kunststoff-Flakes aus dem Wertstoffkreislauf, auf die wir bauen. Neben den Rohstoffen aus erneuerbaren Quellen ist das ein weiteres, nachhaltiges Material, das wir nutzen können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie wir das Produkt einsetzen können.

Zum einen das mechanische Recycling: Hierbei sortiert man die Flakes nach Kunststoffarten und kann diese einem neuen Produkt beimischen. Und zum anderen das chemische Recycling bei dem man den Kunststoff wieder verdampft,  (pyrolysiert), so dass am Schluss wieder ein Öl oder Gas herauskommt, aus dem über einen weiteren Schritt in einem Steamcracker wieder Ethylen und Propylen als Grundstoffe für neue Kunststoffe herstellen kann. 

KnapsackSPIEGEL: Das Material wird also komplett aufgelöst?

Mattes: Genau. Der Kunststoff wird durch ein Verfahren, dass wir selbst entwickelt haben, pyrolysiert. Das heißt, er wird in einer Art Ofen soweit erhitzt, dass er zunächst schmilzt und dann verdampft. Hierbei werden die langen Polymerketten, aus denen der Kunststoff besteht, aufgebrochen. Heraus kommt eine ölige Flüssigkeit, das Pyrolyseöl und ein gasförmiger Stoff, das Pyrolysegas. Wir bauen in Wesseling bereits eine große Anlage, die den größten Teil der in Knapsack verarbeiteten Kunststoffe pyrolysieren wird. Diese Anlage soll 2026 in Betrieb gehen.

KnapsackSPIEGEL: Sie waren zuletzt sechs Jahre Betriebsleiter Steamcracker in Wesseling. Was darf man sich darunter vorstellen?

Mattes: Wie ich bereits sagte, stellt ein Steamcracker die Grundstoffe Ethylen und Propylen für neue Polymere her. Hierbei werden lange Kohlenwasserstoffketten durch hohe Temperaturen zu kurzen Molekülketten „gebrochen“ oder „gecracked“. Bislang wurden fast ausschließlich fossile Rohstoffe, wie zum Beispiel Rohbenzin in den Steamcrackern eingesetzt. Zukünftig können diese fossilen Rohstoffe jedenfalls zum Teil durch Pyrolyseöl und Pyrolysegas – hergestellt aus Kunststoffabfällen, die in Knapsack sortiert wurden – ersetzt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht im Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Dies können zum Beispiel alte Speiseöle, wie „Frittenfett“ sein, die entsprechend aufbereitet, als Rohstoff dienen können. Der Vorteil dieser Einsatzstoffe ist die Schonung fossiler Ressourcen und eine günstige CO2-Bilanz.

KnapsackSPIEGEL: Aus dieser spannenden Tätigkeit hat sich dann die Möglichkeit ergeben, die Nachfolge von Achim Rodekirchen anzutreten? 

Mattes: Genau, ich hatte mich intern auf die Stelle beworben und vor Weihnachten die Zusage erhalten, dass ich nach Knapsack kommen darf. 

KnapsackSPIEGEL: Eine sportliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass Sie am 1. Januar 2024 offiziell angefangen haben. 

Mattes: Allerdings, die Übergabe mit meinem Vorgänger Achim Rodekirchen im Januar war kurz und intensiv. Zugute kam mir dabei meine bisherige Erfahrung als Betriebsleiter in Wesseling, sodass wir uns auf die wesentlichen, wichtigen, dringenden Aspekte fokussieren konnten. Eines dieser Aspekte ist die neue Aufgabe als Standortrepräsentanten für LyondellBasell in Knapsack. Das ist sehr spannend, weil ich plötzlich mit ganz anderen Themen und Aufgaben konfrontiert bin, die ich bis dato so in der Form noch nicht kannte. Aber auch das macht sehr viel Spaß. 

KnapsackSPIEGEL: Ein Beispiel? 

Mattes: Der Unterschied zwischen den Werksteilen Knapsack und Wesseling: Beides sind LyondellBasell Standorte, aber Wesseling ist abgeschlossen. Das heißt, alles was sich innerhalb des Zauns befindet, ist auch LyondellBasell. Das ist hier anders – LyondellBasell ist Teil des Chemieparks ohne eine eigene Infrastruktur. Dies bedeutet einen engen Austausch mit den anderen Standortunternehmen unter anderem in der monatlichen Standortkonferenz. 

KnapsackSPIEGEL: Trotz der Aufgabenvielfalt ist der Einstieg leicht gefallen?

Mattes: Was ich sehr schnell gemerkt und gespürt habe, ist, dass wir hier am Standort ein sehr gutes Team haben. Ich bin nicht alleine und kann auf das kollektive Gedächtnis vertrauen. Hier sind die Türen offen – wenn ich eine Frage habe, wird mir geholfen. Das stärkt mir natürlich den Rücken, wenn ich weiß, ich habe ein gutes, stabiles Team hinter mir. Am Ende des Tages ist es viel Kommunikation, so oft wie möglich präsent sein und mit den Kollegen und Mitarbeitern reden. Ich stelle im Moment sehr viele Fragen. Aber die Kollegen sind geduldig und beantworten mir alle Fragen.

KnapsackSPIEGEL: Wo ist der entscheidende Unterschied zu Wesseling?

Mattes: Der Werksteil Wesseling ist natürlich wesentlich größer und hat deutlich mehr Mitarbeiter. Knapsack ist familiärer. Wir sind weniger Mitarbeiter hier, arbeiten enger zusammen, weil wir uns hier einfach auch physisch näher sind. Und was ich festgestellt habe – auch wenn es schon viele Jahre her ist – ich spüre die unterschiedlichen Wurzeln, die wir in den beiden Werksteilen haben. Die Kultur ist hier ein stückweit eine andere. In Wesseling formten Shell und BASF die damalige ROW (Rheinische Olefinwerke), und hier in Knapsack ist das alte Hoechster Fundament immer noch ein wenig zu spüren. Ich bin mit offenen Armen in Knapsack empfangen worden und habe mich inzwischen schon sehr gut eingelebt.

KnapsackSPIEGEL: Mit welchen Zielen sind Sie auch vor diesem Hintergrund als Standortrepräsentant angetreten?

Mattes: Ich habe zwei Schwerpunkte, die mir persönlich am Herzen liegen, und die ich hier am Standort weiterbringen möchte: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. 

Ich möchte, dass unsere Arbeitsabläufe automatisierter und effizienter werden. Es fängt beispielsweise damit an, dass wir eine drahtlose Netzwerkinfrastruktur in den Anlagen aufbauen, so dass in der kompletten Produktion mit digitalen Endgeräten wie Tablets und Smartphones gearbeitet werden kann. Weiterhin müssen die betrieblichen Abläufe so digitalisiert werden, dass zukünftig auf Papier und Bleistift verzichtet werden kann. 

Das Thema Nachhaltigkeit nimmt gerade richtig Fahrt auf. Hier stellt das Unternehmen nach meiner Meinung  die Weichen in die richtige Richtung. Die komplette Petrochemie ist im Umbruch. Es gibt wirklich viele Möglichkeiten, etwas zu ändern und ich freue mich darauf mein Ideen und Visionen einfließen zu lassen. Das ist das Spannende in den nächsten fünf bis zehn Jahren. 

KnapsackSPIEGEL: Wie lautet vor diesem Hintergrund die erste Zwischenbilanz? 

Mattes: In den ersten Monaten der große Wurf, das wäre vermessen (lacht). Kleinere Weichen konnte ich sicherlich schon stellen, weil ich vielleicht hier und da eine andere Herangehensweise habe. Aber ich würde zuallererst einmal sagen, ich bin sehr gut angekommen und habe mich in alle Themen gut eingearbeitet. Die Jahresziele sind natürlich wesentlich kleinere Schritte, als das, was wir hier gerade besprochen haben. Aber es ist natürlich im Moment ein bisschen herausfordernd, wenn wir an Produktionsziele denken. Nichtsdestotrotz sind die Anlagen gut aufgestellt. 

KnapsackSPIEGEL: Herr Mattes, kein Interview ohne „Persönliches“, deshalb abschließend die Frage: Was tun Sie, wenn Sie nicht an neuen Ideen und Konzepten für den LyondellBasell Standort in Knapsack arbeiten? 

Mattes: Familie – ich bin verheiratet und Vater von Zwillingen, einen Junge und ein Mädchen. Die Entwicklung meiner Kinder ist spannend mitzuerleben, wie komplett unterschiedlich sie sich von ihren Interessen her entfalten. Sie werden im Juni elf Jahre alt und besuchen die fünfte Klasse eines Gymnasiums. Ich bin von Haus aus Naturwissenschaftler und versuche dieses Interesse an beide weiterzugeben. Die Chemiebaukästen aus meiner Kindheit habe ich immer noch zuhause und versuche mit den Kindern immer wieder ein paar Experimente zu machen, um sie für die Chemie zu begeistern.

Im Urlaub zieht es uns eher in Richtung Berge: Im Winter gehen wir gerne Skifahren und im Sommer Wandern. Was nicht heißt, dass ich nicht auch mal an den Strand gehe. Aber wenn Sie mich jetzt fragen, wo geht der nächste Urlaub hin, dann sage ich: In die Berge. Weil ich es einfach schön finde, auf einen Gipfel hochzuwandern, um dieses Erfolgserlebnis und den tollen Ausblick in die Ferne und ins Tal zu haben. 

KnapsackSPIEGEL: Durchaus vergleichbar mit beruflichen Themen, denn auf Ihren Wanderungen können Sie immer wieder schöne Zwischenerfolge erzielen und sich gegebenenfalls an einem eindrucksvollen Gesamtüberblick erfreuen. Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Eindrücke!

Mattes: Sehr gerne!

 

ZUR PERSON

Dr. Klaus Mattes, Leiter Knapsack Site LyondellBasell und Betriebsleiter der Polypropylen-Anlage, ist 51 Jahre, verheiratet und hat zwei Kinder. Geboren und aufgewachsen in Heidelberg in Baden-Württemberg kam er schon in frühester Jugend zur Chemie – angefangen mit klassischen Chemiebaukästen. Nach dem Abitur absolvierte er ein Studium der Chemie in Heidelberg und Darmstadt und promovierte in technischer Polymerchemie an der TU Darmstadt. Zunächst war Mattes dann als Prozess-Ingenieur im internationalen Anlagenbau tätig. Dann folgte im Juli 2008 der Wechsel zu LyondellBasell, wo er in verschiedenen Rollen im Engineering, als Betriebsassistent einer PE-Anlage und später als Betriebsleiter Utilities tätig war. Zuletzt eingesetzt vor seinem Wechsel nach Knapsack war Mattes als Betriebsleiter Steamcracker in Wesseling.