Interview mit Herbert Neumann

Herbert Neumann schaut auf die Uhr. Das Gespräch mit dem KNAPSACKSPIEGEL über seinen Abschied als Standortleiter Hürth von Perimeter Solutions ist gerade zu Ende, da steht der nächste Termin auf dem Programm: „Ich hab‘ gleich ein Telefonat mit den Kollegen in den USA.“ Denn die Übergabe der Standortleitung an seine Nachfolger Johannes Meyer und Oliver Eilert Berns zum Ende des Jahres 2024 ist nicht gleichbedeutend mit dem Ruhestand im üblichen Sinne: Neumann hat einen Beratervertrag und ist dadurch noch an so manchem Tag im Werk anzutreffen.
Herr Neumann, wie geht es Ihnen jetzt mit ein wenig Abstand zu Ihrer Abschiedsfeier, haben Sie sich schon an die neue Situation gewöhnt?
Ich genieße es schon, mehr Zeit für die Familie zu haben. Zum Beispiel kann ich jetzt öfter mein Enkelkind in Den Haag besuchen und wir planen gemeinsame Reisen. Auch bin ich oft mit unserem Labrador unterwegs. Das ist eine sportliche Angelegenheit, er ist recht fordernd. Und ich kann mich um Dinge kümmern, die liegen geblieben sind. Auf der anderen Seite ist ‚von 100 auf 0‘ nicht so meins. Es gibt noch viele Themen im Betrieb, gerade in der aktuellen globalen Marktsituation, auch mit Blick auf die USA und die globalen Herausforderungen. Viele Absprachen mit Kunden sind erforderlich und da unterstütze ich noch ein wenig. Man könnte also sagen: Ich bin halb im Ruhestand angekommen. Das ist aber gut so, denn ich bin nun mal mit Leib und Seele Ingenieur.
Auch wenn der vollständige Abschied noch aufgeschoben ist: Blicken wir mal zurück auf Ihre 40 Jahre dauernde Karriere im Phosphorpentasulfid-Betrieb, der ja im Lauf der Zeit vor einigen Herausforderungen gestanden hat. Woran erinnern Sie sich besonders gerne?
An das Betriebsklima, das immer gut war, auch in schwierigeren Zeiten. Als Werksleiter ‚vom alten Schlag‘ ist man ein bisschen so was wie die ‚Mutter der Kompanie‘. Da kriegt man viel mit, auch aus dem Privatleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es kam oft jemand zu mir und sagte ‚Ich hab‘ da ein Problem …‘. Das habe ich sehr wertgeschätzt.
Ich hatte immer das Glück, ganz tolle Kolleginnen und Kollegen zu haben, super qualifiziert und auch menschlich toll. Von denen konnte ich viel lernen.
Sie sprechen die schwierigeren Zeiten an – vor allem 1995/96, als die Anlage beinahe aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt worden wäre.
Ja, da ging es dem Betrieb sehr schlecht, bedingt durch die Situation am Markt, Qualitätsprobleme, aber auch durch die Strukturveränderungen bei Hoechst. Da haben wir gesagt: Wir müssen das innerhalb von einem Jahr hinkriegen oder zumachen – und wir haben es hingekriegt. Das war auch einem Klasse-Chef in Frankfurt zu verdanken. Es wurden Kosten, Personal und die Qualität des Produkts angepasst, die Anlagen- und Verfahrenstechnik verbessert. Dann übernahm 1998 Thermphos das Produkt, und ab da ging es wieder aufwärts. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass ich durchaus Einfluss nehmen kann; außerdem bin ich geborener Kölner, das hat manchmal auch geholfen.
Man hört heraus, dass Sie Ihren Beruf wirklich mit Leib und Seele ausgeübt haben.
Mein Lieblingsspruch ist tatsächlich: ‚Ich bin mindestens acht Stunden am Tag auf der Arbeit, dann darf sie auch Spaß machen.‘ Das hat sich natürlich auf das Privatleben ausgewirkt, ein Beispiel: Wir wollten gerade in Urlaub fahren, da bekam ich einen Anruf, ob ich noch im Betrieb vorbeikommen könne. Also bin ich mit vollgepacktem Auto für zwei Stunden hingefahren. Tatsache ist, dass ich wirklich Glück hatte in meinem Arbeitsleben und gerne Betriebsleiter und Standortleiter war. Das lag vor allem an den Leuten. Wir konnten gemeinsam viel bewegen. Mein Credo war immer: Man muss mit den Kunden zusammenarbeiten. Es gab aber auch immer einen guten und konstruktiven Austausch mit den Nachbarn innerhalb und außerhalb des Chemieparks Knapsack.
Mit den Kunden arbeiten können Sie ja nach wie vor im Rahmen Ihrer Beratertätigkeit und dadurch live mitverfolgen, wie sich der Betrieb weiterentwickelt. Wie schätzen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation ein, wo geht es hin?
Es fehlt gerade an Planbarkeit, es sind unsichere Zeiten für die Unternehmen in der chemischen Industrie. Das liegt auch daran, dass Wirtschaftlichkeit in Deutschland länger kein großes Thema war. Auch muss man jetzt mal sehen, wie sich die Nachfrage nach Schmierstoffadditiven entwickeln wird. Ich sehe das Unternehmen aber gut aufgestellt. Man muss sich viele Optionen offenhalten und mit der Zeit gehen und ich glaube, das wird auch klappen. Meinen Nachfolgern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünsche ich viel Erfolg und dass die Zeiten wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen, damit man wieder besser planen kann.